Als ich mit meiner ersten Tochter schwanger war, dazumal haben wir noch in Chicago gelebt, träumte ich davon mit meinem kleinen Kinde – ich wusste nicht ob es ein Mädchen oder ein Junge werden wird und ich habe auch keinen Ultraschall machen lassen – in den wenigen Parks spazieren zu gehen und ihm die Eichhörnchen und die Vögel zu zeigen. Die sind dort allgegenwärtig. Und davon, für den ganzen Kindergarten am Geburtstag einen Kuchen zu backen. So einen ganz feinen. Schön verziert.

Nun, oft kommt es erstens anders, und zweitens als man denkt.

Erstens kamen wir schon während dieser Schwangerschaft in die Schweiz zurück. Genauer gesagt, ich kam zurück. Mein damaliger Partner und Vater der drei Girls kam zum ersten Mal in die Schweiz. Unserem Plan des «in Chicago, seiner Wahlheimat zu leben» hat das Schicksal in Form des 9/11, respektive der darauf folgenden Wirtschaftsflaute, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da wurde also nichts mit in «chicagoischen Stadtparks» spazieren zu gehen.

Zweitens sollte keines unserer Kinder jemals einen Kindergarten besuchen, in welchen ich einen Kuchen für alle Kinder hätte bringen können. Dies ist also bis zum heutigen Tage auch immer noch offen…

Dafür haben wir gaaaanz viel anderes erlebt, vieles davon bleiben wertvolle Erinnerungen.

Rückschau in die eigene Schulzeit

Wie ist es dazu gekommen, dass unser Weg einen so anderen Verlauf genommen hat, als ich mir das damals vorstellen konnte?

Als Hauptgrund mag ich hier meine eigene Schulzeit anführen. Nein, ich war nicht ausserordentlich schlecht. Hab noch nicht mal ausserordentlich schlechte Erfahrungen gemacht, damals. Meine Schulzeit war wohl recht durchschnittlich. Da waren ein paar ganz tolle Lehrer dabei, und auch wenige bei denen man wahrscheinlich eher die Rechtschreibung anpassen sollte: «Leerer» könnte es ziemlich treffen. Meine Noten waren ebenfalls durchschnittlich – und hätten durchaus auch gut sein können – hätte es da nicht ein kleines aber wesentliches Problem gegeben: Die Schule hat mich die meiste Zeit absolut nicht interessiert. Sie war einfach ganz unten in meiner Prioritätenliste.

Am Angang der Schulzeit hat mich wohl alles andere mehr interessiert. Sobald jemand noch schlechtere Noten hatte als ich, war mein Schulehrgeiz befriedigt. Ich hab mich lieber andern, spannenderen Themen zugewandt. Irgendwann hab ich dann hauptsächlich für die Pferde und das Karate gelebt – und ja, in der Schule war ich irgendwie auch noch… Mit noch nicht mal schlechten Noten, aber mit null Ehrgeiz oder Interesse.

…und die Konsequenzen daraus ziehen

Ein paar Jahre vorwärts gespult: Da war ich also und hab jeden Tag zwei kleinen Menschen dabei zugeschaut, wie sie sich entwickeln und wachsen. Wie sie gelernt haben, etwas zu greifen, zu krabbeln, sitzen und später aufzustehen und zu laufen, zu sprechen und Schritt für Schritt ihre Umgebung auszukundschaften und zu verstehen. Dabei konnte ich jeden Tag live erleben, wie viel mehr Begeisterung und Leben in ihrem Tatendrang steckte, als ich das damals in der Schule erlebt habe.

Gleichzeitig habe ich mich aber auch zurückerinnert an meine Erfahrungen mit dem Karate und an die Pferde – und habe entdeckt, dass das Lernen meiner Kinder diesen Erinnerungen schon viel näher kam. Anscheinend ist dieses begeisterte Lernen nicht notwendigerweise auf die ersten Lebensjahre beschränkt. Ich realisierte, dass Lernen durchaus spannend bleiben kann – eine kleine Offenbarung.

Von der Zeit an habe ich mich dann angefangen nach Alternativen umzuschauen. Unbedingt wollte ich meine Kinder einfach weiterhin so lernen lassen wie sie das seit mindestens Tag Eins gleich nach ihrer Ankunft hier so erfolgreich taten.

Zuerst dachten wir an eine Privatschule. Davon gab es zwar einige, auch einige wirklich ganz tolle – aber um eine längere Geschichte kurz zu machen: Alle waren zu weit weg und auch zu teuer. Auch samt Sozialpreisen und alles in ihrer Macht stehende ausnutzend um möglichst vielen Kindern eine alternative Schule zu ermöglichen – die Belastung des Familienbudgets ist trotzdem recht stark. Dies konnten wir auf Dauer nicht leisten.

Man könne, meinte eine Freundin irgendwann, seine Kinder auch einfach gar nicht in die Schule schicken und sie zuhause unterrichten, das nenne sich «Homeschooling». Sie hatte einen Jungen im Alter zwischen meinen zwei Töchtern und ging bezüglich «Schule» einen ähnlichen Weg wie wir.

Sie hat mir schliesslich ein Buch ausgeliehen mit einem Titel der mich all die Jahre ganz eng begleiten sollte: «Denn mein Leben ist Lernen» von Olivier Keller. Dieses Buch ist für mich bis heute einer der «big five» der Bücher in meinem Leben. Nur schon der Titel ist Programm, finde ich.

Ich las also dieses Buch und begriff mit jeder Seite zwei Dinge besser:

1. Kinder brauchen gar keine Schule für ihre Entwicklung. Noch nicht mal eine alternative Schule.

2. Auch normale Eltern können ihre Kinder weiterhin erfolgreich begleiten. Es braucht dazu weder notwendigerweise ein Studium noch ein Lehrerdiplom.

Was es jedoch braucht ist in erster Linie der Glaube daran dass es geht und natürlich der Wille selbst dazuzulernen. Sich täglich zusammen mit den Kindern auf eine Entdeckungsreise begeben zu wollen.

Damit war für mich klar – ich werde wahrscheinlich nie einen Geburtstagskuchen für einen ganzen Kindergarten backen…

Kuchen gebacken habe ich trotzdem viele. Sei es für ein Geburifestli mit Freunden, oder auch mit den Kindern zusammen. Auch mal im Rahmen von «Deutschunterricht», oder «Mathelektionen», immerhin müssen da ja auch Rezepte gelesen, verstanden und umgesetzt werden, oder Masseinheiten richtig abgemessen. Im Vorfeld eine Einkaufsliste geschrieben und im Laden wieder gelesen werden.

Bist du neugierig..? Könnte dies auch dein Weg sein..?

Ich schreibe über diese mir sehr am Herzen liegenden Themen, weil ich hoffe, dass, wenn du bis hierhin gelesen hast – ich dich vielleicht ein kleines bisschen inspirieren konnte. Dich neugierig auf andere Wege machen konnte. Vielleicht sagst du ja sogar: «Ich habe mir so was schon lange heimlich gewünscht. Gerne würde ich mit meinen Kindern zusammen diesen Weg gehen, wusste nur nicht wie. Wusste nicht ob ich das kann. Nun fühle ich, dass es Zeit zum Umsetzen ist.»

Darüber würde ich mich sehr freuen. Dann hätte mein Schreiben sein Ziel erreicht. Gerne schreibe ich dir in Zukunft noch mehr Geschichten und Details über unsere Jahre des gemeinsamen Lernens, samt seinen Höhen und Tiefen. Vielleicht kann ich dich ein Stück auf diesem Teil deines Lebensweg begleiten. Das wäre schön,

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