Ein Pladoyer für die innere Intelligenz des Lebens
Es fehlt uns oft in unserem Leben – das Vertrauen, Vertrauen in die Prozesse des Lebens. Somit das Vertrauen in unseren eigenen Körper. Das Vertrauen in die Geschehnisse um uns herum. Und nicht zuletzt das Vertrauen in unsere Kinder. Das Vertrauen, dass das Leben einfach aus sich selbst heraus gedeihen will. Gesund sein will. Sich weiterentwickeln will. Sich entfalten will.
Aus diesem fehlenden Vertrauen heraus beginnen wir regulieren zu wollen. Schränken ein, lenken, steuern und manipulieren – dort wo wir doch gar nicht müssten. Aus Angst schlussendlich, oder auch nur aus mangelnder Alternative, greifen wir dort ein, wo wir eigentlich gar nichts verbessern können. Weil es aus sich heraus schon perfekt ist. Nämlich dem Lebensprozess.
«Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht» – das ist eine Weisheit aus Afrika die grundsätzlich in vielen Bereichen seine Gültigkeit hat. Wenn ich dieses Sprichwort nun aber auf heute, hier und unsere Kinder beziehe, würde ich gerne etwas ergänzen und ausführen:
Einerseits kann man das Gras nämlich zum Beispiel auf sehr kargem Boden ohne Nährstoffe wachsen lassen – dann wird es immer klein und karg bleiben und entwickelt sich nur schlecht.
Man kann jedoch auch gucken, dass es auf einem natürlich nährstoffreichen Boden wachsen darf, es dort hegen und pflegen – und siehe da, es wird, auf diesem geeignetem Untergrund, zu buschigem, starken, widerstandsfähigem Gras wachsen.
Jetzt kann man es stattdessen auch mit künstlichem Dünger versorgen – und es wird tatsächlich schneller wachsen. Geht also. Allerdings schlussendlich, auf diesem künstlichen Untergrund, wo es von einigen Dingen viel vorfindet damit es so schnell wachsen kann, findet es von anderem zu wenig. Das schwächt dann leider wiederum seine Widerstandskraft. Die Gefahr, dass es von einer Krankheit «befallen» wird, eingeht, zumindest einfach leidet und sich schlecht entwickelt ist sehr gross.
In unserer Gesellschaft, scheint mir, haben wir alle eine Tendenz mit viel Kunstdünger unterwegs zu sein. Die sich daraus ergebenden Probleme dann schliesslich mit weiteren künstlichen Substanzen flicken zu wollen. Manchmal sogar noch bevor das erwartete Problem überhaupt manifest geworden ist.
Das gilt für alle Lebensbereiche, im direkten und im übertragenen Sinne. Für die Gesundheit, die Lebensgestaltung – und eben auch der Kindererziehung.
Hab ich eigentlich hier schon mal erzählt, als wie sonderbar ich dieses letzte Wort des letzten Satzes empfinde? «Erziehung». Vielleicht zeigt dieses Wort symbolisch schon die ganze Misere auf: Da kommt ein kleines, ganz neues, in sich perfektes Menschlein zu uns auf diese Erde – und wir denken es erst mal «ziehen» zu müssen? Damit es dann irgendwann auch gut «er-zogen» ist? Natürlich braucht es Pflege. Natürlich braucht es Schutz. Richtlinien und Orientierung. Vorbild. Wurzeln. Flügel. Eine Guideline und Führung. Aber gezogen werden muss da gar nix. Stellt sich die Frage: Wie könnten wir diesen Prozess alternativ denn sonst nennen? Ich weiss es auch noch nicht… «Begleitung»..?
Es gibt in allem Leben einen inneren Antrieb. Alles Leben, begonnen beim Einzeller – bis und mit unseren Kindern – strebt immer nach Gesundheit und Wachstum. Will so ganz sein und sich so viel weiterentwickeln wie möglich. Und alles was wir tun müssen – nein, alles was wir tun können – ist dafür zu sorgen, dass der Boden dazu möglichst geeignet ist. Alle Nährstoffe bietet, die es braucht. In guter, natürlicher, geeigneter Zusammensetzung. Das im direkten und im übertragenen Sinne. Und sich dann in Geduld und Vertrauen üben: Das Leben wird sich immer auf die ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestmögliche Art und Weise in Ausdruck bringen. Ganz von innen heraus. So gesund wie Samen und Umwelt es nur zulassen.
Das ist so, seit das Leben überhaupt begonnen hat. Es strebt immer nach Gesundheit, Entwicklung und Wachstum. Und übrigens – alle, aber wirklich jeder einzelne deiner Vorfahren, seit der Entstehung des Lebens, war ein Erfolg. Sogar jeder einzelne Vorfahr eines JEDEN Lebewesens das jetzt gerade in diesem Moment existiert. Jeder einzelne davon war dem Leben so zugeneigt, hat, gemäss seinen Möglichkeiten gegeben von seiner jeweiligen Umgebung, sich dem zugeneigt was seiner Gesundheit, Entwicklung, seinem Wachstum und schliesslich seiner Fortpflanzung zuträglich war – dass jetzt schliesslich du und ich und alles Leben um uns herum hier lebendig sind. Was für ein Erfolg! Was für eine Kraft! Welch ein Wunder! Was für eine wunderbare Energie im Leben selbst! Oder viel eher: Was für eine wunderbare Energie IST das Leben selbst?!
Darum doch: Lassen wir unsere Ängste dem Leben gegenüber doch einfach mal liegen. Oder noch besser, kümmern wir uns aktiv darum, auf dass sie dorthin zurückgehen mögen, wo sie hingehören: In unsere Erinnerung, auf dass wir von ihnen lernen mögen es in Zukunft anders zu tun.
Gehen wir stattdessen ins Vertrauen. Vertrauen dem Leben und unseren Kindern gegenüber. Bieten wir ihnen einen humusreichen, nahrhaften Boden sowie eine artgerechte Begleitung – und freuen uns an ihrem starken Wachstum und der Entwicklung die ganz aus sich selbst kommt.
Es lebe das Leben!
