Zehn Jahre lang war ich als Einzelkind unterwegs, bis ich dann endlich Geschwister bekommen habe. Ich habe mich wirklich gefreut und das Geschehen mit viel Spannung mitverfolgt.

Als es dann soweit war und ich mit meinem Vater zum ersten Mal im Spital meinen kleinen Bruder besuchen durfte, mussten wir uns vor Ort als allererstes nochmals ein kleines bisschen mehr gedulden. Weil nämlich an der betreffenden Zimmertüre genau in dem Moment ein Schild hing: «Wir stillen gerade. Bitte draussen warten.»

Das passiert alle vier Stunden, wurde ich damals belehrt. Dann werden alle Babys an der Brust angesetzt, egal ob sie in diesem Moment Hunger haben oder auch gerade schlafen. Schliesslich müssen sie sich an einen Rhythmus gewöhnen. Dazwischen gibt es höchstens mal im Notfall etwas, schliesslich müssen sie sich an einen Rhythmus gewöhnen.

Gesehen – mit Spannung miterlebt – verinnerlicht.

14 Jahre später:

Ich komme mit meinem kleinen Baby zuhause an – und stelle fest – so einfach ist es nicht

Zum Beispiel wollte sie viel öfter trinken, als ich das dazumal gelernt hatte. Gott sei Dank, darf ich sagen, wurde ich da aber schon von der Hebamme gut vorbereitet. Sie hat mir in den letzten Tagen erklärt, dass Säuglinge in der Regel öfter Hunger haben und dass ich sie damit nicht verwöhnen kann. Dass sie, so quasi automatisch genau so viel trinkt, wie sie auch braucht.

Stillen wollte ich, das war mir von Anfang an klar. Ein halbes Jahr, dann kommen, eins ums andere andere Lebensmittel dazu, schliesslich wird dann abgestillt.

Bei meiner ersten Tochter war das dann auch ziemlich genau so: Sie war 14,5 Monate alt, ich wieder schwanger und die Milch hat ihr in der neuen Zusammensetzung nicht mehr gemundet. Offenbar war das Stillen auch sonst nicht mehr so wichtig für sie. Sie hat sich mit knapp eineinviertel Jahren selbst abgestillt.

Bei ihren beiden Geschwistern kam es dann etwas anders…

Die beiden wurden auch circa fünf Monate voll gestillt und haben dann Beikost in steigender Menge bekommen. Beide mochten sie die auch und haben durchaus gut gegessen. Weitergestillt haben sie aber trotzdem. Und zwar mit viel Freude, dieser Teil ihres Lebens hatte weiterhin eine grosse Wichtigkeit.

Das Stillen war gut als Ritual zum Beruhigen, in die Stille kommen, zum ins Bett gehen oder vor dem Aufwachen. Oder auch ganz praktisch mal, wenn unterwegs gerade nichts anderes zur Hand war.

Mir ging es dabei gleich wie meinen Girls – auch mir war es wohl dabei.

Stillen in der Öffentlichkeit?

Ich habe noch ganz deutliche Erinnerung, wie wir dazumal zu dritt mit unserer Ältesten als Baby in der Stadt waren, als sie Hunger gekriegt hat. Sie war erst wenige Tage alt, für mich noch alles ganz neu. Da war sie also und wurde immer unruhiger, weil sie eben Hunger hatte. Ich wollte sie stillen – aber wo?! Überall viele Menschen, und ich hatte Panik jemand könnte uns sehen (und verurteilen, oder so…) So wurde auch ich immer unruhiger.

Schliesslich fanden wir ganz hinten im Mc Donalds Restaurant einen für mich relativ geeigneten leeren Ecken, wo ich mich genug unbeobachtet fühlte, um sie ganz versteckt stillen zu können.

Naja – auch dies hat sich im Verlaufe der Jahre gewandelt. Wovor hatte ich denn eigentlich Angst? Ich weiss es gar nicht so genau. Irgendwie so ein unglücklicher Glaubenssatz a la «das macht man nicht!», stand da in der Quere. Warum sollte man das nicht machen? Doch, genau das macht man: Wenn ein Baby Hunger hat, wird es gestillt. Noch natürlicher und normaler geht es nun wirklich nicht mehr.

Schritt für Schritt habe ich also diese völlig unnötige Barriere abgebaut.

Schliesslich habe ich (beinahe) überall gestillt. Natürlich jeweils mit der nötigen Diskretion. T-shirt einseitig hoch und je nach dem noch ein Tuch drüber – und da sieht niemand gar nichts. Sollte sich jemand doch gestört fühlen, einfach weil er oder sie weiss was gerade passiert – na dann ist das nicht unser Problem…

Könnte ich mir jetzt einen Tipp zurückwirkend geben, dann würde ich sagen: «Setz dich einfach auf eine leere Bank. Das gibt es genug hier. Dein Baby hat Hunger und Stillen ist das normalste auf der Welt. Dafür musst du dich nicht bei bestem Wetter im hinteren Winkel von Mc Donalds verkriechen. Wenn das jemandem nicht gefällt – dann soll er oder sie woanders hingucken. Fertig.»

Stillen, wenn die Kleinen keine Babys mehr sind

Einmal waren wir in Mexiko bei der Familie ihres Vaters in den Ferien. Die Mittlere war dazumal etwa zwei Jahre alt. Und sie war nicht die einzige, die noch gestillt wurde. Es gab noch ein anderes Mädchen, ich würde sagen sie war sogar noch etwas älter.

Da haben die Verwandten dann, während sie den beiden zugeschaut haben, freundlich ein paar Witze darüber gemacht. So wurde das andere Mädchen etwa gefragt, nach welchen Aromen die beiden Seiten dann schmecken würden. Gar nicht verlegen hat sie auf die eine Seite gezeigt und „Schokolade“ gesagt, dann auf die andere gedeutet und diese Seite „Vanille“ genannt. Welche Seite sie dann lieber habe? Ich mag mich an die Antwort nicht mehr erinnern, aber wir haben uns alle amüsiert.

Von da an hat meine Tochter den beiden Seiten zum Spass auch oft verschiedene Geschmäcker nachgesagt.

Entwöhnung in der Nacht

Irgendwann kam dann der Moment, als ich definitiv doch Nachts nicht mehr stillen sondern einfach nur ganz durchschlafen wollte. Dies war aber sehr spät. Sie waren je etwa zweieinhalb bis drei Jahre alt.

Aber wie sollte ich das nun durchsetzen? Wie konnten sie das verstehen und sich auch noch einverstanden erklären und kooperieren? Sie hatten buchstäblich keine Referenz zu der Situation bequem zuhause mit mir und erst noch im Bett zu sein – und nicht zu trinken wenn sie wollten.

Also habe ich, in einem Frühling wenn die Nächte am kürzesten sind, mit meinen bescheidenen Malkünsten versucht die Situation in vier kleinen Einzelbildern auf Papier zu bringen:

Einmal Sonnenaufgang, einmal Sonne in der Mitte, einmal Sonnenuntergang und einmal Nacht.

Dann habe ich das meiner Tochter kurzgefasst in etwas so erklärt:

«Guck mal, von jetzt an machen wir das so – wenn die Sonne hochkommt, dann kannst du wieder trinken. Wenn die Sonne am Himmel steht, kannst du auch trinken, solange wir zuhause (o.ä.) sind. Wenn die Sonne untergeht kannst du nochmals trinken – und dann machen wir Pause, bis sie wieder kommt am nächsten Morgen. Wenn du willst, können wir einen Schoppen mit Wasser oder Milch mit ins Bett nehmen.»

Die Zeichnung hab ich dann am Kühlschrank aufgehängt und wir haben sie durch den Tag mehrmals angeschaut.

…und in der Nacht ging das dann tatsächlich erstaunlich gut. Die ersten zwei oder drei Nächte waren zwar für uns alle recht ungewohnt. Sie haben oft nach «Hüghüg» gefragt, wie das bei ihnen geheissen hat. Aber sie haben es akzeptiert. Wohl weil sie es verstanden hatten, dass es mir ein Anliegen war. Und weil sie wussten, dass sie ja nur auf etwas Sonnenlicht warten mussten.

Nach dieser kurzen «Einführungszeit» haben dann beide problemlos durchgeschlafen.

Einige Vorteile der „natürlichsten Kinder-Ernährung der Welt“

Stillen ist die perfekt gesunde Ernährung für das Baby und Kleinkind. Sie bietet dem Kind in jedem Alter und Lebensmoment genau die Nährstoffe in der Menge in der es sie braucht. Alle.

Dazu gibt es, so quasi gratis dazu, Start- sowie stete Unterstützungshilfe für das Immunsystem. Braucht es mehr, kommt mehr, braucht es weniger, passt sich auch dieser Wunsch schnell an.

Das sogenannte „Bonding“, welches meistens vor allem im Zusammenhang mit Neugeborenen erwähnt wird, ist natürlich ebenfalls nicht auf diese Anfangszeit beschränkt. Auch wenn man sich „schon länger kennt“, tut das Stillen beiden Seiten in der Beziehung immer wieder gut. Es bindet Mutter und Kind ganz praktisch auf gesunde Art und Weise stärker zusammen.

Ausserdem ist das Stillen vor allem auch enorm praktisch:

  • es ist immer dabei
  • es kann nicht zuhause vergessen werden
  • muss weder abgekühlt noch aufgewärmt werden
  • es gibt keinen Abwasch
  • es gibt nichts vorzubereiten
  • und vor allem hat es zu jeder Zeit ganz genau die richtige Zusammensetzung

Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, warum die Kinder irgendwann nach einem halben Jahr mit Muttermilch trinken aufhören sollten. Weitere Nahrungsmittel essen und trotzdem weiter stillen geht problemlos nebeneinander.

Auch wenn die Mama wieder arbeiten gehen muss oder will – wenn sie will, kann sie trotzdem ohne Probleme weiter stillen. Auch wenn das Kind nur noch morgens und abends an der Brust trinken kann – das geht trotzdem. Das haben wir am Schluss auch zweimal noch ganz lange so gemacht.

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